Liebesgrüße aus Malta

„Hallo, ihr Zurückgebliebenen! Sonnige Grüße aus Malta. Wir lassen uns hier schön die Sonne auf den Pelz brutzeln und sind jeden Tag im Meer schwimmen. Geh lieber noch mal ins Solarium, damit du nicht ganz so blass neben uns aussiehst, wenn wir wieder da sind!“
So ungefähr lautete die schockierende Mail, die mir zwei Freunde schickten, die aus beruflichen Gründen die neuen Lieblingsmonate der Nation, Januar, Februar, März und April, auf der kleinen Mittelmeerinsel verbrachten. Nun, man weiß im Allgemeinen nicht sehr viel über Malta. Das Land ist so klein, dass man seine Umrisse auf den meisten Landkarten nicht einmal sieht, weil der rote Punkt, der die Hauptstadt Valetta (9000 Einwohner) markiert, größer ist als die ganze Insel. Einigen ist vielleicht noch die Anekdote von Maltas Beton- Fußballplatz bekannt, vor dem sich alle Nationalmannschaften fürchteten und auf dem die Malteser den größten Erfolg ihrer Sportgeschichte feierten: ein Unentschieden gegen England.
Aber in die andere Richtung scheint der Informationsfluss auch nicht besser zu sein. Denn wie konnten mir meine Freunde ernsthaft (ich fragte mehrmals nach) versichern, dass sie es noch nicht gehört hatten. „Braungebrannt und sportlich – das ist so was von out. Das geht gar nicht, Jungs!“ sagte ich, doch sie lachten: „Und sollen wir uns jetzt auch wieder Haare auf der Brust wachsen lassen, oder was? Nee nee, du Pisser, wir gehen jetzt wieder an den Strand.“ Verzweifelt rief ich noch in den Hörer: „Und zupft euch bloß nicht die Augenbrauen bevor ihr her kommt!“, erhielt aber nur noch Gelächter und ein Freizeichen als Antwort. Sie hatten es tatsächlich verpasst. Dünn und blass ist doch der neue Trend! Nach dem Achtziger- Jahre- Revival, war völlig überraschend die, viel zu lang übergangene, Dekade der 1910er Jahre, in Mode gekommen und erlebte einen unglaublichen Hype.
Am Sonntag nach ihrer Ankunft trafen wir uns in der neuen Dunkelkammer des ehemaligen Solariums am Holzmarkt. Vermutlich vom strahlenden Sonnenschein weich gekocht, schlugen sie vor, in den Paradiespark zu gehen, um ein paar Bier zu trinken. Entsetzt stellten sie dort fest, dass niemand da war um sich zu sonnen oder Frisbee zu spielen. „Wo sind die denn alle?“ fragte Tom. „Die meisten werden wohl zu Hause sitzen und Gedichte auswendig lernen, oder so. Und übrigens trinkt man diesen Sommer Weißwein.“ Als ich ihnen dann noch erklärte, dass sie heute nicht schon eine Stunde vor Anpfiff im Pub sein müssten, um das Viertelfinal- Hinspiel der Champions League sehen zu können, weil es eh keinen interessiert, waren sie endgültig bedient und verließen mich mit hängenden Schultern. „Ihr habt doch alle ’nen Knall!“
Es vergingen ein paar Wochen, bis ich Tom eines Samstags wieder traf. Er war zwar immer noch ein bisschen braun, hatte sich aber inzwischen ein paar beachtliche Augenringe zugelegt, und seufzte laut auf zur Begrüßung.
„Na, wie geht’s?“
„Zum kotzen, und selbst?“
„Klar, mir auch!“
„Was machst’n heut Abend?“
„Ich bleib zuhause, hab mir grad ein Buch gekauft.“
In wunderschöner schwindsüchtiger und sensibler Geste zeigte er mir den seidenen Einband mit dem Titel: „Der Genitiv: Opfer unserer Oberflächlichkeit? Eine Anleitung zum Hausgebrauch.“ Bravo Tom!