Dinner In Brombeer

Dinner in Brombeer
Die Europawahl leidet unter Geheimniskrämerei

Auch dieses Mal schauten wieder Millionen Deutsche zu. Und ganz ehrlich: Was wäre Silvester ohne diese einmalige Sendung im Fernsehen? Ohne sie würde einfach etwas fehlen – diese gut zehn Minuten beste Unterhaltung sind zur Tradition geworden wie das Korkenknallen und das Sektsaufen – die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin!
Live aus der Waschmaschine konnte der brombeerrote Vergleichsweltmeister dem beschwippstenVolk kurz vor dem Jahreswechsel noch einmal die nagenden Existenzängste vertreiben. Dank menetekelartigem Optimismus und der Erinnerung, dass wir den Krieg ja schließlich auch überlebt haben. Was soll da noch kommen? Mit dieser Rückbesinnung auf unsere ultimative Aufbaufähigkeit können uns die Bedrohungen der Zukunft nur noch ein arrogantes Lächeln abluchsen. „Weltwirtschaft und Klimawandel – Klimawandel und Weltwirtschaft: das geht auch zusammen!“, stellte Angela Merkel fest. Und, was war noch gleich, ach so, Finanzkrise. Na wird schon! Mit Optimismus und Krediten…
Wer außer mit seiner Kaufkraft und guten Laune noch anderweitig am demokratischen System teilnehmen will, dem wird es dieses Jahr auf jeden Fall nicht an Möglichkeiten mangeln. Es ist nämlich „Superwahljahr.“ Aber wird es auch ein super Wahljahr? Neben der Bundestagswahl, den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen, Saarland und Brandenburg, sowie acht Kommunalwahlen, steht auch die Europawahl an. Das ist die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die am 7.Juni stattfinden wird.
Die deutschen Abgeordneten werden auf Listen nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt. Das heißt: Die Zahl der Sitze für eine Partei soll ihrem Stimmenanteil entsprechen. Anschließend bilden sich im Europaparlament Fraktionen, man könnte auch sagen Parteienfamilien, zum Beispiel die Europäischen Sozialdemokraten, die Europäischen Grünen usw. Deutschland hat mit 99 Sitzen das weitaus größte Gewicht im Parlament, Frankreich, Italien und Großbritannien stehen jeweils nur 78 Sitzen zu.
Wenn man bedenkt, wie groß der Einfluss ist, den Entscheidungen aus Brüssel auf die nationalen Politiken haben, insbesondere in Deutschland, fragt man sich, warum die Spitzenkandidaten durchweg unprominent bis unbekannt sind. Von Wahlkampf kann auch noch keine Rede sein. Birgit Schnieber-Jastram? Silvana Koch-Mehrin? Martin Schulz oder Markus Ferber? Wer die Kandidaten den richtigen Parteien zuordnen will, muss schon einen Absatz weiterlesen.
Schnieber Jastram: CDU, Koch-Mehrin: FDP, Schulz: SPD, Ferber: CSU. Angela Merkel scheint etwas von ihrem anfänglichen Europa-Enthusiasmus verloren zu haben. Das Scheitern des Vertrages von Lissabon, dessen Grundzüge unter der deutschen Ratspräsidentschaft 2007 erarbeitet wurden, war ein harter Schlag. Dabei sind die Bedrohungen und Herausforderungen der Zukunft nur in europäischer Zusammenarbeit lösbar, so verflechtet wie die wirtschaftlichen Beziehungen und so transnational die Strukturen der organisierten Kriminalität und des internationalen Terrorismus sind.
Allerdings sind europäische Themen zurzeit einfach nicht sehr beliebt bei den Wählern und werden deshalb ausgeklammert. Erstmal müsse man die eigenen Probleme lösen, bevor man sich um Europa kümmern kann, ist die katastrophale Symbolik. Damit hängt auch die miserable Wahlbeteiligung 2004 von 43% der Wahlberechtigten in Deutschland (von den 18-30-jährigen gingen sogar nur 35% zur Wahl) zusammen. Die meisten, die nicht wählen gegangen sind, begründeten ihr fernbleiben damit, nicht gewusst zu haben, was denn eigentlich genau zur Wahl stand.
Barack Obama hat mehrmals angekündigt, die Europäer mehr in die Pflicht zu nehmen, was Aufgaben der internationalen Staatengemeinschaft angeht. Eine Aussage, der zwei Besonderheiten innewohnen. Erstens ist dem neokonservativen Postulat vom „end of history“ mit der alles kontrollierenden Hypermacht USA scheinbar endgültig die Realität gewichen. Zweitens fällt die unspezifische Adressierung „Europa“ auf. Ganz offensichtlich wird die EU wieder als leistungsfähiger politischer Partner in außenpolitischen Fragen wahrgenommen.
Das alle fünf Jahre gewählte Europäische Parlament repräsentiert die zweitgrößte Demokratie der Welt. Nur in Indien sind bei den Wahlen mehr Wahlberechtigte aufgerufen, in einer allgemeinen, freien, direkten und geheimen Wahl eine parlamentarische Vertretung zu wählen. Dem sollte auch endlich ein angemessener Wahlkampf entgegenstehen, die Kandidaten publik sein und vor allem auch die politischen Ziele der Parteien bekannter werden.

Mehr zu europäischen Themen, besonders aus dem Blickwinkel junger Menschen:
http://www.jef.de
Die Hochschulgruppe Jena der JEF (Junge Europäische Föderalisten) trifft sich jeden Mittwoch 18 Uhr im Haus auf der Mauer (Intro-Büro)