Grube und Pendel

Letztes Wochenende ist meine Freundin zu ihren Eltern gefahren. (Wir haben uns nicht gestritten) Ich konnte leider nicht mitfahren weil die Fertigstellung meiner Hausarbeit ohne mich einfach nicht vorankommt. Es stellte sich heraus mit mir auch nicht. Schreibtisch- Grube, Hausarbeit- Pendel und laufe durch die Dunkelheit und die Dunkelheit ist rund. Und dunkel.
Freitag um zwölf Uhr Mittag ging sie heim. Trauer überkommt mich.
Trotz heftiger Bedenken hebe ich das Rauchverbot in unserer Wohnung auf. Was für eine Freiheit, nicht mehr auf den Balkon gehen müssen zum rauchen, auch nicht heimlich zum Fenster raus, nein, wie ein Mann: rauchend an der Schreibmaschine, rauchend das Bier aus dem Kühlschrank nehmen, rauchend auf Toilette gehen, rauchend sinnierend rauchend… Blumen gießen muss ich noch. Erstmal schalte ich den Fernseher (rauchend) an um etwas Abstand von der belastenden Muss-Tun-Situation zu gewinnen. Das brachte uns wieder näher, denn Sie tat ja gerade dasselbe. (Abstand gewinnen)
Es gibt sehr viele Gründe kein Fernsehen zu gucken, aber auch immer einen dafür: sich vor der Arbeit drücken.
Hunger reißt mich aus dem Schlaf. Schiebe zwei Cheesburger in die Mikrowelle (rauchend) und schalte schon mal meinen Laptop ein, denn nach dem Essen sollte ich wirklich anfangen.
Ich setz mich dann auch ran und trinke noch ein Bier. Es ist um zwei. Sonst trinke ich natürlich kein Bier um die Zeit, schon aus Selbstachtung nicht, Achtung! Vor! Ihr!
Als ich nun so trinke und denke,… Sollte vielleicht noch einkaufen gehen, dann muss ich morgen nicht und kann gleich durcharbeiten.
Kaufe also gleich ein für morgen. Geh dann noch mal und kauf ein für Sonntag. Es ist um Vier. Jetzt aber! Zuerst lese ich mir nochmal kritisch, das bereits Geleistete durch, streiche die aber’s, somit’s, woraufhin’s, auch’s, mache aus zwei Relativsätzen einen Hauptsatz, womit jener gleich viel besser zu lesen ist, und achte auch noch mal gesondert darauf, keine Sätze zu bilden die zu lang sind, oder denen es an Stringenz mangelt, woraufhin ich die Kommasetzung kontrolliere, und zusätzliche Fremdwörter einsetze, deren Sinn ich mir zuvorderst im Duden erfragt habe, obwohl ich mir ihre Apologie auch hermeneutisch aus dem Konglomerat hätte evaluieren können.
So. Um Fünf. Brauch erst mal ne Pause. Bei der Hitze sind Pausen wichtig und viel trinken. Rauchend öffne ich Bier Nummer drei. Uiuiui
Obwohl alle Fenster und Türen geöffnet sind beträgt die Raumtemperatur 28 Grad bei 80 Prozent Luftfeuchtigkeit, die Mücken schwitzen und verstecken sich unter dem Geschirr in der Spüle, allein die Palmen fühlen sich wohl. Steige erstmal um auf Cola. Halb Sieben. Schaue erstmal die Simpsons. Dann Galileo, Tagesschau, zwei Tassen Kaffee. Wird ne lange Nacht. Hitzewallungen, wieder Cola. War inzwischen ca. zwanzigmal pinkeln und versteh jetzt auch warum Sie darauf besteht, dass ich mich dazu hinsetze.
Ich versacke vor dem Fernseher in einer Art Wachkoma, rauchend, paralysiert von Koffein und Bildschirmflackern. Beleidigt surrt mein Laptop im Standby- Modus, aber an Arbeit ist nicht mehr zu denken.
Das Pendel schwingt, zischend die Luft durchteilend über mir. Schneidet die große Freiheit in Scheibchen, aber noch gebe ich nicht auf. Ich bin nicht unvernünftig, nein, kreativ! So arbeiten Künstler! Da gibt’s kein Tag und Nacht. Erst den Geist befreien und wenn der Körper dann keine Rolle mehr spielt, wenn die Eingebung kommt, das Fieber steigt, dann schießen die Gedanken quasi. Der Schreibvorgang an sich wird überhaupt nicht wahrgenommen, ein rauschender Walzer der über die Tasten schwebt. Erwartungsfroh setze ich mich wieder an den Schreibtisch und warte auf den göttlichen Funke, der schon durch die konspirative Atmosphäre, die inzwischen mein Heim beseelt hierher geleitet werden muss. Ich bin praktisch wie der Windhund, der schon wild scharrend in seiner Box steht und nur darauf wartet, dass der Hase an ihm vorbeirast und das Gitter aufgeht.
Doch das Gitter bleibt geschlossen und als mein Hase nach Hause kommt beginnt ein anderes Rennen. Ihren Abschluss findet meine Hausarbeit schließlich konventionell und langweilig in der Bibliothek.