Von Übergangsjacken, Zirkusbesuchen, emanzipierten Frauen und was einem sonst noch so im Alltag passiert


April 2010 erschien Martin „Gotti“ Gottschilds erstes Buch „Der Schatz im Silberblick“, das ihm direkt prominente Vergleiche mit Autoren wie Florian Illies und Max Goldt einbrachte („taz“ und „intro“). Am 5. Mai startet Gottschild eine Lesetour in Chemnitz, wobei man es eigentlich umgekehrt beschreiben müsste, denn es ist weniger die Lesetour zum Buch, als das Buch zur Lesetour. Mit dem Programm „Tiere streicheln Menschen“ hat sich Gottschild gemeinsam mit seinem Partner Sven van Thom bereits einen Namen gemacht: Die „Action- Lesungen“ im Berliner Roten Salon sind berühmt-berüchtigt, eine Mischung aus aberwitzigen Kurzgeschichten, fiktiven Diavorträgen und musikalischen Einlagen von Sven van Thom. Für die „Freie Presse“ sprach Christian Gesellmann mit dem 33-jährigen Autor aus Berlin.

Was erwartet den Besucher bei deiner Actio-Lesung?
Martin Gottschild: Na, im Wesentlichen erzähle ich Geschichten, oft mit tagesaktuellem Bezug, aber auch über die Liebe. Oder Übergangsjacken, Zirkusbesuche oder emanzipierte Frauen, alles was einem so im Alltag begegnet. Und zwischendurch macht Sven van Thom Musik. Und es gibt auch regelmäßig Pausen zum Rauchen und Trinken, das ist ja auch immer wichtig.

Wenn wir gerad bei tagesaktuellen Themen sind: Darf man sich über den Tod von Osama bin Laden freuen?
Martin Gottschild: Kommt auf die Erziehung an! Naja, ich finde es ja generell sehr eigenartig, worauf die Leute so abgehen. Ich hätte die Freude vielleicht noch verstanden, wenn das ein halbes Jahr nach den Anschlägen gewesen wär, dann hätte ich das noch eher nachvollziehen können, aber so finde ich das ziemlich schäbig und traurig ehrlich gesagt. Also nicht das er jetzt gestorben ist, sondern diese Party-Stimmung.

Stimmt es, dass du mal DDR-Meister im Bogenschießen warst?
Martin Gottschild: Ja, da war ich so zwölf, dreizehn. Aber dann hab ich noch die Kurve gekriegt und hab Abi gemacht wie sich das gehört, und wollte dann aber nicht studieren, weil ich Schule schon so unglaublich anstrengend fand und hab dann erst mal eine Lehre als Einzelhandelskaufmann bei einem Musikalienhändler gemacht. Seitdem hab ich eigentlich nie mehr so richtig einen Job gehabt, hab einfach ganz viel Musik gemacht. Inzwischen komme ich auch ganz gut über die Runden mit Musik und Lesungen – ich meine, ich hab auch bescheidene Ansprüche, das möchte dazu sagen, aber momentan kann davon leben. Gut, vor drei Jahren, als ich allerdings noch nichts von der Verschrottungsprämie wusste, hab ich mein Auto verschrotten lassen, und seitdem bin ich finanziell praktisch aufgeblüht. Und so lang es keine Autos mit vernünftiger Stoßstange gibt, werde ich mir auch keins mehr holen.

Warum, bist du so ein schlechter Autofahrer?
Nee, das geht. Also, ich hatte auch schon mal ein paar Unfälle aber alles eher bescheiden – nur das macht‘s ja umso ärgerlicher, dass man wegen einer Sache, die in einer Sekunde passiert, sich zwei, drei Stunden seines Lebens aus dem Knie leiern muss und zur Werkstatt fahren und so, alles nur weil da ein Kratzer an der Stoßstange ist, das finde ich irgendwie anstrengend.

Dein erster Erfolg war dann „Liebficken“ mit der Band Sofaplanet, auch schon zusammen mit Sven van Thom…
Martin Gottschild: Ja, wir kennen uns wohl jetzt schon so 15 Jahre. Sven wurde übrigens früher der Glöckner von Stolzenhagen genannt. Am Anfang waren wir eigentlich eher Konkurrenten, weil wir jeweils mit unseren eigenen Bands auf den Festivals unterwegs waren. Aber mittlerweile kann man wohl sagen, wir sind befreundet.

Tiere streicheln Menschen war schon zu Gast bei MTV HOME, Quatsch Comedy Club, Nightwash, KEN FM, im Roten Salon der Volksbühne Berlin, bei den Surfpoeten, Thüringer Satiretheater, Schaubühne Berlin, Admiralspalast, Poetengeflüster Dresden, LSD, Chaussee der Enthusiasten, FRITZ- Nacht der Talente, und jeden zweiten Freitag zwischen 16 und 18 Uhr auf 100,6 MOTOR FM! („Thank Gotti it´s Friday!“- die Drei-Minuten-Lesung).

http://tierestreichelnmenschen.de

Dunkel, glitzernd und melodisch

Interview für die Freie Presse mit dem kanadischen Duo Terror Bird, das in der fantastischen Beta-Bar in Chemnitz gastierte

Düstere und melancholische Texte, vorgetragen von der verschwörerisch schönen Stimme von Nikki Nevver, treffen auf zuckersüße Melodien: Terror Bird ruft Erinnerungen an Dark/New Wave Pop und den Glam und Glimmer der 80er Jahre wach, von Kate Bush über Human League bis Philipp Glass, ohne deshalb zu nostalgisch zu wirken – ihre Klangkulisse ist definitiv die Großstadt von heute. Kein Wunder, dass sich das Ehepaar aus Vancouver derzeit ziemlich wohl fühlt in Berlin, dort haben sie sich für drei Monate eine Wohnung in Neukölln als Basis für eine ganz große kleine Deutschland-Tour gemietet.
Seit auf einer Synth Wave Compilation des Plattenlabels Rough Trade das wunderschöne, engelsflötend apokalyptische Lied Shadows in the Halls erschien, gelten Terror Bird als „die hipste und traurigste Band Nordamerikas“ (Prinz).
Terror Bird ist das Projekt von Nikki Nevver, Sängerin und Synthiespielerin (sonst bei den Modern Creatures), und Jeremiah Haywood, Schlagzeuger (Twin Crystals).

Im Interview mit Christian Gesellmann verrät Nikki Nevver einiges über ihr Leben auf Tour und ihre schaurigen Inspirationen

Freie Presse: Nikki, du bist erst 25 und hast schon mehr als Hundert Lieder geschrieben. Woher nimmst du die Inspiration?
Nikki Never: Oh , viel Langeweile (lacht). Und ich schreibe oft über Dinge, die mir Angst machen oder über die ich mir Sorgen mache. Was scheinbar ziemlich oft vorkommt. Und David Bowie: diese Alienhaftigkeit, die schöne Stimme und gleichzeitig hat er etwas Schauriges – das ist so das Spannungsfeld, das mich inspiriert.

Du bist jetzt fast drei Monate lang auf Tournee – reicht es dir nicht langsam?
Ja, doch, irgendwie ist es natürlich nicht so gesund, dauerhaft in so vielen Bars rumzuhängen. Und ein bisschen freue ich mich auch wieder auf Vancouver, wo ich mit meinem Mann wieder in das Haus ziehen werde, in dem wir vorher gewohnt haben. Dort warten auch schon unser Mitbewohner und unsere Katze auf uns. Aber wir sind auch nicht die ganze Zeit am Touren. Wir haben uns eine Wohnung in Neukölln gemietet. Zur Zeit zahlen wir also zweimal Miete, scheiße!

Kann man Berlin und Vancouver eigentlich vergleichen?
Ja, sie haben viele Gemeinsamkeiten, beide sind multikulturell und international. Aber Berlin gefällt mir irgendwie besser. Es sieht besser aus, durch die vielen alten Gebäude.

Was wirst du tun, wenn du zurück in Vancouver bist?
Ich werde weiter Psychologie studieren, ich wollte schon immer Psychologin werden. Aber das habe ich nicht immer gewusst, früher habe ich erst Journalismus und dann Film studiert. Es interessiert mich einfach, wie der Mensch funktioniert, das seltsame Gehirn, die Gefühle und sowas. Und natürlich will ich noch ein paar hübsche Platten machen, wenn ich zurück bin.

Wie ist es, mit dem Ehemann auf Tour zu gehen? Wie wichtig ist er für deine Musik?
Die Gefahr ist natürlich groß, dass man sich etwas auf die Nerven geht, wenn man einfach alles zusammen macht. Aber bis jetzt kriegen wir das ganz gut hin und irgendwie verbindet einen das natürlich auch. Musikalisch hat er etwas zu leiden, denn ich hab ihn dazu gezwungen auf einem kleinen Keyboard zu spielen. Eigentlich ist Jerry ja Schlagzeuger (bei den Twin Crystals), aber dazu ist er auf unserer Tour noch nicht so oft gekommen…

Am Freitag, den 15. April ist das Duo zu Gast in der Chemnitzer Beta-Bar, Brühl 24. Beginn ist pünktlich 22 Uhr, der Eintritt kostet sechs Euro.