Gefährlich oder lächerlich? Wie ist das Terrorvideo von Abu Talha – „Dem Deutschen“ einzustufen? Ein Kommentar.

Es beginnt wie die geschmacklose Persiflage auf einen Homeshoppingsender. Ein bewaffneter Islamist hält eine Gebetskette in die Kamera, wild gestikulierend und drohend. Rhetorisch erinnert er etwas an die Sendung mit der Maus – und als wäre sein Getue mit der Panzerfaust nicht schon lächerlich genug, wird ein Teil seiner Botschaft mit einem Hall-Effekt akzentuiert, den man höchstens aus der Geisterbahn kennt. Dann gibt’s zu muslimisch-volkstümlicher Musik noch etwas Dschihad- Gymnastik, dramatische Kamerafahrt und ein paar rasante Schnitte.
So könnte man den ersten Teil des Videos beschreiben, dessen Protagonist Abu Talha sich selbst dem Terrornetzwerk Al-Qaida zuschreibt. Experten konnten die Authentizität des Drohvideos noch nicht bestätigen, das bei Youtube seit seinem Erscheinen am Samstag schon mehrere Tausend Mal angeschaut wurde. Tatsächlich ist es auch egal, ob es sich um eine direkte Auftragsarbeit handelt oder nicht. Das Video ist in seiner Gestaltung sehr eng an vorherige Botschaften Bin Ladens orientiert, es ist professionell hergestellt, zitiert häufig aus dem Koran und trägt das Logo einer Organisation, die schon mehrfach für Al-Qaida Videos produziert hat. Es besitzt damit eine ausreichende Autorität, um von islamistischen Denkern als relevante Quelle angesehen zu werden. Vermutlich ist die Rede im zweiten Teil nicht von Abu Talha selbst geschrieben worden, darauf deuten die sprachlichen Unzulänglichkeiten des jüngeren ersten Teils. Er liest offensichtlich von einem Teleprompter ab und die Gesten wirken einstudiert.
Das wirklich bedrohliche an dieser Videobotschaft ist jedoch, dass sie in deutscher Sprache verfasst wurde. Und von einem jungen Mann vorgetragen wird, der deutscher Staatsbürger, und über innenpolitisches Geschehen bestens informiert ist. Er redet von dämlichen BND-Mitarbeitern, vom fränkischen Mr. Sicherheit, von Eva Hermann im Familienministerium und von Mozarts „Odemeneo.“
Teile des Videos sind mit Sicherheit schon vor mehreren Monaten hergestellt worden. Scheinbar wurde für die Publikation der optimale Zeitpunkt dann aber noch abgewartet, vielleicht auch antizipiert, und dieser bot sich nach dem Selbstmordanschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul. Eine akute Terrorgefahr soll für Deutschland simuliert werden.
Der Adressat ist aber nicht nur das deutsche Sicherheitsgefühl, sondern auch die muslimische Bevölkerung. Ihr soll die Tat erklärt und begründet werden, die verwendete Symbolik ist ganz klar auf islamische Rezipienten zugeschnitten. Es ist eine zynische Schmährede über die Verderbtheit westlicher Politik, plakativ und die Wahrheit zurecht stutzend, die Sympathie erheischen soll und die Diskussion über den Terrorismus wieder aktivieren soll.
Die Forderungen nach einem Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan werden auch von deutschen Politikern sofort wieder laut werden, wenn es eigene Opfer zu beklagen gibt. Der Rückzug der spanischen Truppen aus dem Irak nach den Anschlägen in Madrid hat gezeigt, wie punktgenau Al-Qaida die politische Diskussion und Situation, besonders anstehende Wahlen, zu instrumentalisieren weiß.
Das Video selbst hat die Terrorgefahr nicht erhöht, aber es zeigt, das es für diese Propaganda auch Empfänger in Deutschland geben muss. Das ist auch die wichtigste Information, die wir erhalten sollen. Denn ob der Frage, wer mehr zur Deutschen Einheit beigetragen hat, al-Qaida oder Helmut Kohl, wird kaum eine hitzige Diskussion ausbrechen.
Deutschland rückt wieder mehr in den Fokus, die Truppen sollen aus dem Afghanistan der erstarkenden Taliban verschwinden. Dies untermauert auch die Tatsache, dass Bin Laden in seiner letzten Botschaft auf ein Zitat von Peer Steinbrück Bezug nahm. Wichtig ist jetzt, die versteckten Botschaften des Videos zu entschlüsseln und es nicht einfach als lächerlich zu kennzeichnen und dann heimlich panisch zu werden.
Somit hat die Landtagswahl in Hessen wenigstens eine einzige gute Sache bewirkt: sie hat die Drohung des deutschen Islamisten medial abgedämpft.